Muslimische Kindererziehung

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Muslimische Kindererziehung

Muslimische Kindererziehung
Das Erziehungsziel des Islam

Es ist das Ziel des Islam, die menschliche Gesellschaft so zu erziehen, dass Lebensumstände und -bedingungen entstehen, die den einzelnen von allem Schlechten reinigen und seine konstruktiven Fähigkeiten entfalten lassen; eine Gesellschaftsordnung zu schaffen, die es dem einzelnen ermöglicht, sich ganz auf seinen Glauben und auf seinen Weg zu Allah (t) zu konzentrieren und unbeirrt von etwaigen Ängsten und Unsicherheiten seiner Bestimmung zufolge zu leben. Die unabdingbare Voraussetzung dafür ist ein unerschütterlicher Glaube an die Existenz des Schöpfers und das daraus resultierende Leben nach dem Willen Allahs. Dazu muss der Mensch das göttliche Gesetz über die islamische Lebensweise kennen und seinen Sinn und seine Bedeutung verstehen. Das Gewissen jedes einzelnen Muslims, welches von seinem Glauben bestimmt wird, und sein ausgebildetes Gottesbewusstsein sind die Garantie für die Verwirklichung des gesamten islamischen Systems.

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag im Islam
Wenn man den Islam als einen allumfassenden Lebensprozess betrachtet, so kann man die Erziehung als Teil dieses Prozesses werten. Von Anfang an besaß die Erziehung und Bildung eine große Bedeutung im Islam. Schon der Prophet Muhammad, Allahs Segen und Friede auf ihm, hat sich neben der Umerziehung der Erwachsenen mit der Erziehung der jungen Generation beschäftigt, wobei er den größten Wert auf die Bildung, d.h. die Wissensvermittlung und den Wissenserwerb – z.B. das Qur’an-Lernen, Lesen und Schreiben – gelegt hat. Die Bemühungen des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, um die Erziehung der Kinder und Jugendlichen wird an einer großen Anzahl von Haditen deutlich. Die Aufforderung zum Wissenserwerb und zur Wissensvermittlung findet sich ebenso in einigen Versen des Qur’an, z.B.: „Sprich: „Zieht auf Erden umher und schauet, wie Er ein erstes Mal die Schöpfung hervorbrachte.“ (Sura 29, Vers 20) „0 ihr, die ihr glaubt, wenn in Versammlungen zu euch gesagt wird: „Macht Platz!“ – dann macht Platz; Allah wird ausgiebig Platz für euch machen. Und wenn gesagt wird: „Erhebt euch!“ – dann erhebt euch; Allah wird die unter euch, die gläubig sind, und die, denen Wissen gegeben wurde, um Rangstufen erhöhen. Und Allah ist dessen wohl kundig, was ihr tut.“ (Sura 58, Vers 11) „Lies; denn dein Herr ist Allgütig. Der mit dem Schreibrohr lehrt, lehrt den Menschen, was er nicht wusste.“ (Sura 96, Vers 3-5) „Und die, denen das Wissen gegeben wurde, sehen, dass das, was dir von deinem Herrn offenbart worden ist, die Wahrheit selbst ist und zu dem Weg des Allmächtigen, des Preiswürdigen leitet.“ (Sura 34, Vers 6) Diese Zitate zeigen uns, dass die Bildung und die Erziehung im Sinne des Islam sind, und deshalb besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Daneben wird auch in der Schari’a – dem Gesetz Allahs – speziell den Eltern bzw. den für die Kinder Verantwortlichen eine gewissenhafte Erziehung und Betreuung der Kinder zur Auflage, d.h. zur Pflicht Allah (t) gegenüber gemacht. Die Kinder und deren Erziehung werden im Qur’an sogar als Prüfstein der Eltern, speziell der Väter bezeichnet: „0 ihr, die ihr glaubt, lasset euch durch euer Vermögen und eure Kinder nicht vom Gedenken an Allah abhalten. Und wer das tut – das sind die Verlierenden.“ (Sura 63, Vers 9) „0 ihr, die ihr glaubt, wahrlich, unter euren Frauen und Kindern sind welche, die euch feindlich gesonnen sind; so hütet euch vor ihnen. Und wenn ihr verzeiht und Nachsicht übt und vergebt, dann ist Allah Allvergebend, Barmherzig.“ (Sura 64, Vers 14) „Eure Reichtümer und eure Kinder sind wahrlich eine Versuchung; doch bei Allah ist großer Lohn.“ (Sura 64, Vers 15) Dementsprechend ist die Erziehung ein Teil der Botschaft des Islam und ihr Ziel ist folglich identisch mit dem Ziel des Islam, nämlich die Bildung einer gesunden islamischen Gesellschaft. Dazu müssen die Kinder zu überzeugten Muslimen erzogen werden, die in der Lage sind, sich für den Islam einzusetzen, um den Islam, seinen Segen und seine Kultur aufrecht zu erhalten.
Mit anderen Worten: das Ziel der islamischen Erziehung soll sein, dass der Mensch für Allah (t) allein lebt und wirkt zum Wohle seiner selbst und zum Wohle der gesamten Menschheit. Zur Erreichung dieses Fernziels sind verschiedene Nahziele notwendig, die anhand folgender Erziehungsbereiche dargestellt werden sollen.

Das Verhalten des Erziehers zum Kind Die Pflicht zur Achtung und zum Respekt dem Mitmenschen gegenüber schließt das Verhalten des Erziehers zum Kind mit ein, was beispielsweise darin zum Ausdruck kommt, aß die Kritik am Verhalten des Kindes nicht vor Dritten geäußert wird. Der Erziehers muss das Kind als vollwertige Persönlichkeit – als Geschöpf Allahs – anerkennen und sich dementsprechend ihm gegenüber verhalten. Als der Prophet Muhammad (s) eines Tages mit einer großen Anzahl von Gläubigen das Gebet verrichtete, verweilte er eine überaus lange Zeit bei der Niederwerfung (Sugud), so dass die Mitbetenden, die aufgrund der gleichen Stellung nichts sehen konnten, sehr beunruhigt und verwirrt waren. Nach Beendigung des Gebetes begründete der Prophet (s) auf Anfrage der Gemeinde das lange Verharren in dieser Position damit, dass sein kleines Enkelkind auf seinen Rücken gestiegen sei, um auf ihm zu reiten, und er, der Prophet (s) es nicht in seinem Spiel unterbrechen wollte, sondern abwartete, bis das Kind von selbst von seinem Rücken abstieg; denn der Prophet (s) und die islamische Gemeinschaft waren zum Wohle des Kindes verpflichtet. Der Islam fordert jedoch vom Erzieher andererseits, dass er dem Kind mit Nachdruck und Strenge die islamische Lebensweise und islamisches Wissen vermittelt. Der Grund dafür liegt in der Pflicht jedes Muslims, nach Allahs Willen auf der Erde zu leben, indem er diesen Willen in Wort und Tat verkündet. Aus dieser Beziehung zu Allah (t) entwickelt sich das patriarchalische Erziehungsstil in bezug auf das Kind. Der Vater wird hier als
Hauptverantwortlicher aufgrund seiner Bestimmung zum Familienoberhaupt hervorgehoben. Bei diesem Patriarchat geht es also nicht darum, dass der persönliche Wille des Vaters bzw. des Erziehers maßgebend ist, sondern der Wille Allahs durch die Person des Vaters bzw. des Erziehers sich Geltung verschafft. Ein Hadith des Propheten Muhammad (s) soll verdeutlichen, wie diese Gebote miteinander zu vereinbaren sind: Er sagte den Eltern, dass sie mit ihren Kindern während der ersten sieben Lebensjahre „spielen“ sollen, d.h. ihnen in Liebe und Güte zu begegnen und ihre natürliche Entwicklung nicht zu beeinträchtigen oder zu hemmen. Der Islam wird – wie bereits gesagt – als das allumfassende Gesetz gesehen, das jedem Geschöpf Allahs innewohnt. So wird davon ausgegangen, dass der Mensch mit einer völlig reinen Seele geboren wird und bereits alle Eigenschaften eines Muslims als Dispositionen mitbringt, welche sich nur noch zu entfalten brauchen. Praktisch hieße das zum Beispiel, dass dem Kind ausreichend die Möglichkeit gegeben wird, seinen Bewegungsdrang auszuleben, die Fragen des Kindes ungeschminkt und umfangreich zu beantworten und die Erziehung zur Reinlichkeit nicht mit Zwang, sondern mit Liebe und Geduld zu verbinden.
In den folgenden sieben Jahren, vom siebten bis zum vierzehnten Lebensjahr*, müssen die Kinder im Erzieherverhalten Strenge und Konsequenz erfahren, wobei davon ausgegangen wird, dass die Erzieher ihre Handlungen und Entscheidungen dem Kind erläutern, und dass das Kind die Erklärungen verstehen und nachvollziehen kann und in der entwicklungsbedingten Lage ist, diese in seinem Denken und Verhalten zu berücksichtigen. Demnach soll die Strenge nicht in einem willkürlichen autoritären Verhalten offenbart werden, sondern sich äußern in einer zielbewussten, konkreten und konsequenten Leitung und Führung des Kindes auf dem Weg zu Allah (t). In den nächsten sieben Jahren, vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr, sollen die Eltern bzw. die Erzieher das Kind als Freund betrachten. Das kommt darin zum Ausdruck, dass das Kind als vollwertige Persönlichkeit anerkannt wird und die Erziehung in einem partnerschaftlich brüderlichen Verhältnis stattfindet, welches ebenso bei der gegenseitigen Hilfe und Erziehung zwischen erwachsenen Muslimen erwartet und gefordert wird. Danach, d.h. nach dem einundzwanzigsten Lebensjahr, sollen die Eltern ihren Kindern den rechten Lebensweg zeigen und ihnen als Berater beistehen, wie dies der Prophet (s) in einem Hadith erwähnt hat. Es geht dabei nicht darum, die Kinder als Besitz zu betrachten, sondern ihnen im Sinne von Brüdern und Schwestern im Auftrage Allahs zu helfen, den Weg zu Ihm zu finden und zu gehen. Das Verhalten des Erziehers zum Kind ist dabei abhängig von seinem Alter und seinen entwicklungsbedingten Fähigkeiten. Es versteht sich von selbst, dass diese vier Erziehungsstadien nicht als einzelne, zeitlich abgeschlossene und streng festgelegte Momente gesehen werden können, sondern dass es darum geht, die Erziehung des Kindes kontinuierlich zu entwickeln und sich dabei am Entwicklungsstand des einzelnen Kindes orientieren. Im großen und ganzen kann gesagt werden, dass das Vorbild das größte erzieherische Mittel im Islam ist. Die eigene vorbildliche Lebensführung und das Verhalten der Eltern und Erzieher nach Allahs Willen sollen das Kind zum Nachleben desselben anregen.

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